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Ein Praktikumsbericht aus Chartres

piktochartres.jpgJohanna Boettcher, Studentin aus Verl arbeitete im Rahmen eines Praktikums drei Wochen in der zukünftigen Europäischen Begegnungsstätte Chartres. Ihren lesenswerten Praktiumsbericht möchten wir Ihnen an dieser Stelle vorstellen:

„Europäische Begegnungsstätte Franz Stock“ in Le Coudray/Chartres
Praktikumsbericht – Johanna Boettcher
20. August – 07. September 2007

„Abbé Franz Stock, das ist kein Name, das ist ein Programm!“, sagte der damalige Nuntius von Paris, Erzbischof Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII. im Februar 1948.

Franz Stock (1904-1948) aus Arnsberg-Neheim gilt als einer der Wegbereiter der deutsch-französischen Freundschaft. Seit 1934 war er Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Paris. Von 1945 bis 1947 leitete dieser Priester, selbst Kriegsgefangener, als Regens das „Stacheldrahtseminar“ in Chartres, das durch die französische Regierung mit Unterstützung des Apostolischen Nuntius Roncalli in einem Teil des dortigen Kriegsgefangenlagers für in Gefangenschaft befindliche Priester und Seminaristen (ca. 1000 Männer) eingerichtet worden war.

Drei verschiedene Vereine - das Franz-Stock-Komitee in Arnsberg, die Association Chartraine Franz Stock in Chartres und die Association Française Les Amis de l’Abbé Stock in Paris - haben sich zum Ziel gesetzt, im ehemaligen „Stacheldrahtseminar“ in Le Coudray/Chartres einen Ort der Erinnerung, der Begegnung sowie der Hoffnung in Europa zu schaffen. Der Grundstein für die „Europäische Begegnungsstätte Franz Stock“ wurde im Jahre 2005 gelegt. Im April 2007 hatte ich die Gelegenheit, diesen geschichtsträchtigen Ort und das Grab Franz Stocks in der Kirche Saint-Jean-Baptiste de Rechèvres/Chartres zu besichtigen. Die Botschaft Franz Stocks zur deutsch-französischen Versöhnung hat mich dabei sehr angesprochen, so dass ich den Wunsch hatte, während eines Praktikums die alltägliche Arbeit für das C.E.R.F.S. („Centre Européen de Rencontre Franz Stock“) in Chartres kennen zu lernen und beim Projekt konkret mitzuhelfen. Als Studentin der Frankreichstudien auf Diplom der FU Berlin machte ich mir somit Franz Stock zu einem intensiveren Dreiwochenprogramm im Sommer 2007.

Ein Schwerpunkt meines Praktikums lag in der Archivarbeit für die Association Chartraine Franz Stock. Meine Aufgabe war es, einen Überblick über die vielfältigen Materialien und Texte in Chartres zu bekommen und eine Ordnung für die Dokumentation vorzuschlagen. Dafür sichtete ich im Pfarrhaus der Gemeinde Saint-Jean-Baptiste in Rechèvres, im Diözesanarchiv von Chartres und im ehemaligen „Stacheldrahtseminar“ die vorhandenen Dokumente. Neben vielen Zeitungsartikeln und Briefen auf Deutsch und Französisch entdeckte ich auch Foto- und Filmmaterial über das Leben Franz Stocks, das Lager in Chartres, die verschiedenen Gedenkfeiern, die Entstehung der Gemeinde in Rechèvres und der Franz-Stock-Vereine, über Austauschprogramme, Pilgerfahrten, etc. Besondere Freude machte mir die Entdeckung von Originalmenükarten, die anlässlich der Besuche vom Nuntius Roncalli im „Stacheldrahtseminar“ in den Jahren 1945-1947 von den Häftlingen handschriftlich erstellt worden waren.

Insgesamt gibt es eine Vielzahl an Texten, Bildern und Videos in öffentlichen und privaten Händen in Deutschland und Frankreich, die eine Übersicht aller Archivmaterialien für eine Dokumentation über den Abbé Stock erschweren. Da mögliche Zeitzeugen im hohen Alter stehen oder im Laufe der Jahre schon verstorben sind, ist eine gute Aufbewahrung der geschichtlichen Dokumente für die Erinnerung besonders wichtig. Zusammen mit der Association Chartraine Franz Stock (ACFS) erarbeitete ich somit eine Struktur für die Archivierung der Materialien. Ich erstellte mehrere Listen auf dem Computer, die es in Zukunft erleichtern sollen, Vorhandenes wiederzufinden. Für eine Archiv-Übersicht sprach ich mich auch mit dem Franz-Stock-Komitee in Arnsberg ab; denn indem ich Dokumente für die ACFS erfasste, arbeitete ich nicht nur für die französische Seite, sondern auch gleichzeitig in Hinblick auf die geplante Zusammenlegung der Vereinigungen beider Länder.

In mehrfacher Hinsicht leistete ich dem französischen Verein selbstständige Beratungsarbeit, dabei konnte ich aufgrund der kurzen Praktikumsdauer nur erste Bausteine für weitere notwendige Dokumentationsarbeit setzen.

Neben dieser Büro- und Archivarbeit konnte ich auch mehrere internationale Besucher durch das ehemalige Kriegsgefangenlager führen und über die Person und Botschaft Franz Stocks berichten. Dabei riefen die Erklärungen und Räumlichkeiten immer wieder bewundernde Reaktionen über das Wirken des Abbés hervor. Mir hat besonders gefallen, mit Einheimischen und Besuchern in Chartres über die Geschichte Europas und ihre persönlichen Erfahrungen deutsch-französischer Freundschaft zu sprechen. Die Erwähnung der Person Franz Stocks öffnete dabei in bemerkenswerter Weise die Türen zur Kommunikation.

Da ich durch die tägliche Lektüre und den Aufenthalt im ehemaligen „Stacheldrahtseminar“ einen großen Einblick in die Geschichte Franz Stocks in Chartres bekam, nutzte ich gleichzeitig die geographische Nähe, um mich an einem Wochenende auf seine Spuren in Paris zu begeben. Dort besuchte ich das Mahnmal auf dem Mont Valérien in Suresnes, dessen Vorplatz im Jahre 1990 zum „Place de l’Abbé Stock“ benannt wurde. Von 1941 bis 1944 begleitete Franz Stock als Seelsorger der Gefängnisse von Cherche-Midi, La Santé und Fresnes weit über 1000 zum Tode Verurteilte bis zur dortigen Erschießungsstätte. Bei einer Führung durch das Ehrenmal der „France Combattante“, durch die Kapelle und Erschießungsstätte auf dem Mont Valérien erfuhr ich von dem Ziel des französischen Verteidigungsministeriums, vor Ort eine Dauerausstellung und Gedenkstätte zu Franz Stock zu errichten. Dabei wurde mir die Notwendigkeit guter Absprache und Zusammenarbeit zwischen allen Franz-Stock-Vereinigungen und öffentlichen Einrichtungen deutlich, um doppelte Recherchen zu vermeiden und die Botschaft dieses Priesters in die Gegenwart herüberzubringen. So liegt eine der Aufgaben des C.E.R.F.S. in einer regelmäßigen Kontaktpflege zu Zeitzeugen, zu Familienangehörigen Betroffener und zu Förderern der historischen Erinnerung auf deutscher und französischer Seite.

Insgesamt konnte ich während des Praktikums meine im Studium erworbenen Fähigkeiten sehr gut anwenden. Nicht nur meine französischen Sprach- und Landeskenntnisse, sondern auch meine Kenntnisse im Bereich Geschichte erleichterten mir die tägliche Arbeit in Chartres. Außerdem wurde mir als Studentin ein erstaunlich großes Vertrauen der Leute vor Ort entgegengebracht, so dass ich mich auch nie als Deutsche benachteiligt vorkam. Ich konnte im Gegenteil von der in Chartres gelungenen tiefen deutsch-französischen Freundschaft profitieren.

Ich bedanke mich sehr bei allen Mitarbeitern des C.E.R.F.S. für dieses kurze, aber intensive Praktikum, vor allem für die tägliche Unterstützung und den persönlichen Einsatz von Herrn Jean Mercier, Mitglied im Vorstand der ACFS. Ich freue mich über die ergriffene Möglichkeit aktiver Teilnahme am Projekt und wünsche dem C.E.R.F.S. in Chartres viel Erfolg. Das Nachforschen über Franz Stock hat mein Interesse an den deutsch-französischen Beziehungen gestärkt. Seine Person und sein Wirken werden mich sicherlich auch weiterhin auf meinem Lebensweg begleiten.

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